Weil wir hier leben wollen

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Prioritäten und Ziele des neuen Landrates des Landkreises Görlitz 

Heute sind es genau 100 Tage, die Dr. Stephan Meyer als neuer Landrat des Landkreises Görlitz im Amt ist. Nach 13 Jahren als Abgeordneter im Sächsischen Landtag wurde er am 5. September Chef einer Verwaltung mit mehr als 1.800 Mitarbeitern. Eine der ersten Amtshandlungen von Dr. Stephan Meyer war die Bildung zweier neuer Abteilungen für Strukturentwicklung, Wirtschaftsförderung und Internationale Beziehungen sowie für die Beteiligungsgesellschaften. Der Landrat will Voraussetzungen schaffen, dass durch gut bezahlte Arbeitsplätze und stabile Strukturen die Kaufkraft und Lebensqualität steigt und damit auch eine solide finanzielle Grundlage für die Kommunen geschaffen wird. Dafür eröffnet der Strukturwandel in der Lausitz neue Möglichkeiten. Dem Landkreis Görlitz stehen durch diesen Prozess Mittel zur Verfügung, die andere Regionen nicht haben. Welche Prioritäten setzt er in diesem Prozess? Wie geht er persönlich an die Umsetzung seiner Zielstellung heran? Wo sieht er Potenziale und Chancen für den Landkreis? Wir kamen mit Dr. Stephan Meyer ins Gespräch.

Wie planen Sie, den Kohleausstieg als Landkreis zu gestalten - vor allem mit der Unsicherheit, ob der Kohleausstieg nun 2030 oder 2038 kommt?

Der jetzige Prozess zeigt, dass wir noch am Anfang der Strukturentwicklung stehen und der Bund bisher einer Flexibilisierung der Strukturmittel sowie einer Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren schuldig geblieben ist. Aus meiner Sicht wäre ein Vorziehen des Ausstiegs auf 2030 unrealistisch und ein fataler Vertrauensbruch. Wir müssen dafür sorgen können, dass unsere Region weiterhin Energieregion ist. Die Kompetenz der Menschen in der Energiewirtschaft, die Infrastruktur der Kraftwerksstandorte und die Akzeptanz für die Energiewirtschaft bei der Bevölkerung legen das nahe. Das setzt aber einen beschleunigten Netzausbau für dezentrale Energieerzeugung und die Anbindung an die Wasserstoffnetze voraus. Wir werden dabei oft vor der Abwägung unterschiedlicher Schutzgüter stehen. So stehen sich dabei beispielsweise Eingriffe in Natur und Umwelt sowie die sichere und wirtschaftliche Energieversorgung gegenüber. Ich möchte mit der direkt bei mir angesiedelten Abteilung für Wirtschaftsförderung, Strukturentwicklung und internationale Beziehungen die Partner in diesem Prozess intensiv begleiten und möglichst kurze Wege für die damit verbundenen Verwaltungsverfahren herstellen.

Sie haben sich bereits als Landtagsabgeordneter für Transparenz im Prozess der Strukturentwicklung und bei den Abstimmungen des Regionalen Begleitausschusses ausgesprochen. Was ist für Sie in diesem Prozess außerdem noch wichtig? 

Ich möchte für mehr Transparenz im Verfahren sorgen, um Entscheidungen für die Menschen nachvollziehbarer zu machen. Für meine Forderungen habe ich zunehmend Verständnis erfahren. Ich erkenne, dass auch der Freistaat durchaus bereit ist, Erfahrungen aus den bisherigen Runden in die Verbesserung des Prozesses einfließen zu lassen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir über die Bedeutung von interkommunalen Projekten, regionalen oder thematischen Schwerpunkten für die Entscheidungen des RBA sprechen und diese stärker danach ausrichten. Wichtig ist auch die weiterhin enge Zusammenarbeit mit dem Landkreis Bautzen, weil wir als Oberlausitz eine Region für die gemeinsame wirtschaftliche Entwicklungen sind. 

Sie sind täglich im gesamten Landkreis unterwegs und kommen mit vielen Menschen in Kontakt. Wie ist das Stimmungsbild bei den Bürgern gegenüber dem Strukturwandelprozess und wie wichtig ist deren Mitwirkung?

Die Menschen sind mit dem bisherigen Prozess nicht zufrieden, insbesondere im nördlichen Kernbereich der jetzigen Kohlenutzung. Ich verstehe diese Unzufriedenheit, da wir uns bereits im vierten Jahr nach dem Abschlussbericht der Kohlekommission befinden und mit diesem eine viel zu hohe Erwartungshaltung geweckt wurde. Diese kann durch das Investitionsstärkungsgesetz nicht erfüllt werden. Wir müssen bei den Entscheidungen immer die Kommunikation bedenken und die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz berücksichtigen. Gleichzeitig sind mittlerweile auch gute Projekte beschlossen, die direkt in der Kernregion wirken und eine nachvollziehbare Wirkung auf Arbeitsplätze und Lebensqualität vor Ort entfalten werden. Mich treibt es an, Menschen bei der Verwirklichung ihrer Ideen bestmöglich zu unterstützen. Dazu möchte ich ihre Sichtweisen kennen und verstehen. Projekte, die von und mit den Menschen vor Ort entwickelt und umgesetzt werden, genießen meistens die größte Akzeptanz.

Mit der Entscheidung, dass das CASUS Institut und das Deutsche Zentrum für Astrophysik in Görlitz angesiedelt werden und noch weitere Forschungsinstitute in die Region kommen, wird Görlitz ein Schwergewicht in der internationalen Forschungslandschaft. Wie kann der Landkreis diese Entwicklung unterstützen? 

Wir sollten diese Ansiedlungen als Chance sehen. Damit können wir unsere Region in den internationalen Fokus rücken. Wir wollen mit Weltoffenheit und Innovationsfreudigkeit eine gute Heimat für Menschen von auswärts sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine gute Straßen- und Schieneninfrastruktur, um gut erreichbar für und in alle Welt zu sein. Dafür brauchen wir die Schnellzugverbindung und leistungsfähige Straßenanbindungen an die Zentren in unserer Dreiländerregion.

 Welche Prioritäten setzen Sie bei der Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Landkreis Görlitz? 

Ich setze vor allem auf den Ausbau bestehender Firmen und deren Innovationsstärkung durch unsere Forschungslandschaft. Die Oberlausitz hat bis 2030 rund 40.000 Arbeitsplätze neu zu besetzen. Daher ist es wichtig, dass sich die hiesigen Unternehmen gut weiterentwickeln können. Gezielte Ansiedlungen sollten wir im Bereich der Forschungsschwerpunkte und strategischer Themenstellungen, wie beispielsweise der Kreislaufwirtschaft, vorantreiben. Wir müssen mit unserer Verwaltung und mit unseren politischen Entscheidungen dafür sorgen, dass die Innovationsfähigkeit vor allem unserer kleinen Unternehmen steigt und sie damit eine höhere Wertschöpfungstiefe erreichen. So wird es ihnen möglich, ihren Mitarbeitern höhere Löhne zu zahlen. Wir benötigen attraktive berufliche Perspektiven, damit junge Menschen hier die Ausbildung absolvieren oder nach einer Ausbildung in der Ferne wieder zurückkehren können. Sie sollen hier die Möglichkeit haben, ihre Ideen in der Heimat zu verwirklichen. Regionen, die in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie Schlüsseltechnologien investieren, haben langfristig die größten Entwicklungschancen.

Welche persönlichen Akzente möchten Sie für Ihre Arbeit noch setzen? 

Ich möchte, dass die Menschen unsere Verwaltung als „Ermöglicher“ wahrnehmen und wir unsere Dienstleistungsfähigkeit in der Fläche durch Bürgerbüros und mehr digitale Verwaltungsdienstleistungen stärken. Gleichzeitig werde ich weiterhin positiv für unsere Dreiländerregion inmitten Europas als zukunftsfähige Region mit großem Potential und die Strukturentwicklung als Chance werben in der Hoffnung damit  so Manchen zum Bleiben oder Wiederkommen zu ermutigen. 

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